Wer kennt es nicht: Manchmal dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis der Dienst-PC am Morgen hochgefahren ist. Hat man es besonders eilig, müssen dann ganz unbedingt erst 30 Updates geladen werden. Bis man schließlich die notwendigen Passwörter eingegeben und Programme geöffnet hat, um mit der Arbeit beginnen zu können, vergehen schnell einige Minuten. Ob diese Minuten – die sogenannte Rüstzeit – als Arbeitszeit gewertet werden können, musste kürzlich vor dem Arbeitsgericht geklärt werden.
Geklagt hatte ein Mitarbeiter in einem Callcenter, der täglich etwa zehn Minuten benötigte, um den PC zu starten und sämtliche Programme zu öffnen. Erst mussten unterschiedliche Benutzernamen und Passwörter eingegeben werden, bis mit dem ersten Kunden telefoniert werden konnte. Der Arbeitgeber bezahlte seine Mitarbeiter jedoch erst, sobald die Anmeldeprozedur abgeschlossen war. Dementsprechend war die Zeiterfassung auf dem Arbeitszeitkonto eingestellt. Er war der Ansicht, erst mit der vollen Einsatzfähigkeit des Mitarbeiters würde die Arbeitszeit beginnen.
Arbeitszeit vs. Privatvergnügen
Der Callcenter-Mitarbeiter sah dies anders und ließ sich zunächst von seiner Projektleiterin bestätigen, dass der Anmeldevorgang täglich neun Minuten und 20 Sekunden erfordere. Er verlangte anschließend unter anderem, dass ihm diese Zeit pro Arbeitstag auf seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werde – auch für die Vergangenheit. Als sich der Arbeitgeber hierauf nicht einließ, klagte der Mann. Er verlangte von seinem Arbeitgeber die Anerkennung und Bezahlung der Rüstzeit. Das Arbeitsgericht teilte sein Rechtsgefühl und gab dem Callcenter-Mitarbeiter Recht.
Die Arbeitsrichter stellten klar, dass systembedingte Arbeitsvorbereitungszeiten – im Fall des Klägers das Starten des PCs sowie die Anmeldungen – zur Arbeitszeit gehörten und damit zu vergüten seien. Kläger und Beklagter stritten vor Gericht schließlich darüber, wie viele Minuten die Rüstzeit genau in Anspruch nehme. Der Kläger legte hierzu dar, mindestens 12 Minuten zu benötigen. Der Arbeitgeber versuchte dies zu entkräften und gab an, dass man auch innerhalb von drei Minuten arbeitsbereit sein könne.
Das Gericht fand beide Angaben nicht vollständig glaubhaft und legte seiner Entscheidung schließlich die Bestätigung der Projektleiterin zugrunde. Somit musste der Chef – rückwirkend ab Juni 2015 – pro Arbeitstag neun Minuten und 20 Sekunden auf dem Arbeitskonto seines Beschäftigten gutschreiben.
Arbeitsvorbereitung ist nicht gleich Arbeitsvorbereitung
Derartige Arbeitsvorbereitungszeiten zählen grundsätzlich zur Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer sie zwingend erledigen muss. Schließlich sind die nötig, um die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen und dienen einem fremden Bedürfnis – nämlich dem des Arbeitgebers. Sobald die Arbeitsvorbereitung abgeschlossen ist, ist der Arbeitnehmer arbeitsfähig.
Problematisch wird es in diesem Zusammenhang jedoch, wenn eine Vorbereitungshandlung auch dem Interesse des Arbeitnehmers entspricht, etwa die Reinigung des Körpers durch eine Dusche. Die Rechtsprechung geht bisher davon aus, dass das Duschen die eigenbestimmte Zeit des Arbeitnehmers ist, welche nicht bezahlt werden muss.
ArbG Magdeburg, Urteil v. 26.10.2016, Az.: 3 Ca 3220/15
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Vorsicht, der Chef könnte mit surfen
Jeder Internetbesuch hinterlässt Spuren – das wissen wir. Was Viele jedoch nicht wissen: auch der Vorgesetzte kann diese Spuren lesen.
Viele Chefs bekommen ihre Mitarbeiter immer seltener zu Gesicht, da sie vom Home Office oder generell viel von unterwegs arbeiten. Und gerade die kleinen technischen Helferlein, wie beispielsweise das Smartphone oder das Tablet, die die Arbeit so ungemein erleichtern, können den Chefs dabei in die Karten spielen. So ermöglichen sie dank digitaler Datenströme, dass man sich über die Aktivität des Mitarbeiters ein genaues Bild machen kann. Es lässt sich einfach nachvollziehen, wo, wann und wie lange und mit wem kommuniziert und was neben der Arbeit noch alles erledigt wurde. Die digitale Arbeitswelt schafft damit neue Möglichkeiten der Leistungskontrolle und Überwachung, die Gewerkschafter und Datenschützer mit Sorge beobachten.
Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser?
Die zunehmende Verschmelzung von Arbeit und Privatleben wird über die Aktivitäten in sozialen Netzwerken besonders deutlich. Unternehmen ist es möglich, innerhalb kürzester Zeit Internet-Profile von Mitarbeitern oder Bewerbern durchzustöbern. Rechtlich ist dies nicht unbedingt verboten – es ist daher Vorsicht bei der Selbstdarstellung im Internet geboten. Selbst ein vermeintlich harmloses Foto oder auch nur ein Gefällt-mir kann viel über Interessen und Charakter aussagen.
Aber auch während der Arbeit werden immer mehr digitale Spuren hinterlassen. Ganz abgesehen von der Arbeit am Computer oder der Kameraüberwachung an der Kasse, werden ganz unbewusst Daten aufgebaut. So setzen beispielsweise einige große Logistik-Unternehmen, aber auch so mancher Handwerksbetrieb auf die GPS-Ortung der Fahrzeuge. Der Chef weiß damit genauestens über den Standort, Fahr- und Standzeiten sowie über den Kraftstoffverbrauch Bescheid. Streitereien zwischen Chef und Mitarbeiter sind da vorprogrammiert.
Rechtlich gesehen kann eine solche GPS-Ortung durchaus gerechtfertigt sein. Kommt es aber nicht darauf an, an welchem Ort der Mitarbeit arbeitet, hat der Arbeitgeber grundsätzlich kein berechtigtes Interesse an der Aufzeichnung dieser Daten. Eine GPS-Überwachung kann aber gerechtfertigt sein, um die persönliche Sicherheit des Mitarbeiters zu gewährleisten. Hält sich der Mitarbeiter in einer gefährlichen Gegend auf oder ist er in einem riskanten Arbeitseinsatz, können Standort und Bewegungen rechtmäßig nachvollzogen werden. Zulässig ist die Ortung beispielsweise auch beim Flotten-Management im Außendienst, damit die Streckenplanung verbessert werden kann. Dazu muss die Ortung aber auch offen erfolgen. Der Mitarbeiter muss also Bescheid wissen, dass und was genau der Arbeitgeber aufzeichnet. Eine verdeckte Ortung wäre nur zulässig, wenn ein konkreter Verdacht besteht, dass der Mitarbeiter eine Straftat oder eine andere erhebliche Vertragsverletzung begangen hat.
Das Gesetz hilft kaum
Konkrete und eindeutige rechtliche Regelungen fehlen aber bislang. So existiert zwar ein Gesetzesvorhaben zum Arbeitnehmerdatenschutz. Es geht aber nicht so ganz voran bei dem Thema. Abhilfe schafft bisher hauptsächlich das Bundesdatenschutzgesetz – dies ist aber eher allgemein gehalten und schützt Arbeitnehmer nicht gerade umfassend. So sind schließlich diverse Sphären betroffen: von der Aufbewahrung der Bewerbungsunterlagen, über den privaten Umgang des betrieblichen WLANs oder der Diensthandys.
Trotz allem besteht bei Leistungs- und Verhaltenskontrollen im Unternehmen immer die Mitbestimmung des Betriebsrates. Wo es aber keine Betriebsräte gibt, greift auch dieser Schutzmechanismus nicht.
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