Wann bekomme ich nach der Kündigung oder beim Aufhebungsvertrag eine Abfindung?
Es gibt (in der Praxis) keinen Abfindungsanspruch. Aber es wird in fast jedem Kündigungsschutzprozess eine Abfindung in Form der Regelabfindung gezahlt.
Das passt nur auf den ersten Blick nicht zusammen. Es hat sich eingebürgert, dass sich der Arbeitgeber mit einer Abfindung aus dem Kündigungsschutzprozess „freikauft“. Dabei hat sich – aus nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen – ein Wert von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Jahr der Beschäftigung als „Regelabfindung“ ergeben. Ein Arbeitnehmer, der fünf Jahre bei einem Gehalt von zuletzt 2.000,00 Euro brutto tätig war, hätte/ erhielte theoretisch eine Regelabfindung von 5.000,00 Euro brutto.
Regelabfindung bietet Orientierung
Diese Abfindung ist ein unverbindlicher Richtwert. Es hängt aber immer von den Umständen des Einzelfalles ab, ob dieser Wert erreichbar ist oder auch nicht. Eventuell ist sogar eine erheblich höhere Abfindung das Ergebnis des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Rein rechtlich gesehen ist die Abfindung ein Ausgleich für den „sozialen Besitzstand“, der sich im Wesentlichen in der Dauer des Arbeitsverhältnisses widerspiegelt.
Die echte Abfindung, die vom Arbeitsgericht durch Urteil festgesetzt wird, kommt nur in sehr seltenen Fällen vor und betrifft dann in der Regel die Entlassung von echten leitenden Angestellten. Im Wesentlichen gilt hier, dass die Abfindung von den Erfolgsaussichten des Kündigungsschutzverfahrens abhängt. Ein Buchhalter, der nach 20 Jahren beim nachgewiesenen Griff in die Kasse erwischt wurde, wird von seiner „Regelabfindung“ von vielleicht 20.000 Euro nichts sehen, während der junge Familienvater, der ohne jeden Grund nach zwei Jahren gekündigt wird, unter Umständen mit einem halben Jahresgehalt oder mehr abgefunden wird.
Was ist die Abfindung rechtlich?
Die Abfindung ist eine arbeitsrechtlich einmalige Zahlung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer. Diese soll den Verlust des Arbeitsplatzes in Folge einer Kündigung entschädigen. Die Abfindung hat dabei viele Gesichter – sie kann aus verschiedenen Gründen gezahlt und auf verschiedenen Wegen vereinbart werden. Es besteht aber grundsätzlich kein verbindlicher Rechtsanspruch auf die Auszahlung einer Abfindung.
Abfindungshöhe ist grds. frei verhandelbar – ein stückweit wie auf dem Bazar
Die Abfindung an sich und ihre Höhe kann zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunächst frei verhandelt werden. Die Abfindung wird dabei zumeist in einem Aufhebungsvertrag neben der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich vereinbart. Eine andere Möglichkeit ist die Vereinbarung in einem Abwicklungsvertrag. Im Fall einer solchen einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer keinen rechtlichen Anspruch darauf, dass sich der Arbeitgeber auf eine Abfindung einlässt.
Die Höhe einer Abfindung hängt grundsätzlich davon ab, wie viel der Arbeitgeber bereit ist zu zahlen. Bei gerichtlichen und außergerichtlichen Verhandlungen über die Höhe der Abfindung orientiert man sich jedoch an einer „Daumenregel“. Hiernach wird ein halbes bis volles Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung gezahlt. Ein Arbeitnehmer, der nach zehn Jahren Beschäftigung zuletzt 3.000 € brutto im Monat verdient hat, erhält in der Regel eine Abfindung zwischen 15.000 € und 30.000 €.
Die Höhe der Abfindung kann tatsächlich auch höher – aber auch niedriger ausfallen. Je nach Verhandlungsgeschick des Arbeitnehmers, Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers oder aufgrund der Verhandlungssituation insgesamt, kann die Abfindung im Einzelfall sehr hoch oder sehr niedrig ausfallen. Von einer Abfindung gehen keine Sozialabgaben ab, da sie kein Arbeitsentgelt im sozialrechtlichen Sinn darstellt. Es werden also keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung abgezogen. Allerdings unterliegt eine Abfindung der Besteuerung nach den Regeln über die Lohnsteuer.
Abfindungsanspruch kann sich aus Sozialplan ergeben
Die Zahlung einer Abfindung kann zudem in einem Sozialplan zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber verbindlich vereinbart worden sein. Dies ist meist für den Fall bestimmter Betriebsveränderungen und für den Ausgleich von betriebsbedingten Kündigungen gedacht. Außerdem ist eine verbindliche Vereinbarung von Abfindungszahlungen auch in einem Tarifvertrag möglich. In solchen Fällen kann der Arbeitnehmer die Zahlung der Abfindung rechtlich für sich beanspruchen.
Schließlich ergibt sich auch dann ein Anspruch auf die Abfindung, wenn der Arbeitgeber zusammen mit einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung unter Verweis auf § 1a Kündigungsschutzgesetz anbietet. Hierzu müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
- der Arbeitgeber spricht eine betriebsbedingte Kündigung aus
- der Arbeitgeber weist im Kündigungsschreiben ausdrücklich darauf hin, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt wird und dass der Arbeitnehmer dann eine Abfindung erhält, wenn der die dreiwöchige Frist für eine Kündigungsschutzklage verstreichen lässt
- der Arbeitnehmer lässt erhebt daraufhin keine Kündigungsschutzklage
Die Entscheidung des Arbeitnehmers, keine Kündigungsschutzklage zu erheben, führt dam automatisch zu einem Anspruch auf eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr. Bruchteile von Beschäftigungsjahren von mehr als sechs Monaten werden dabei auf ein volles Jahre aufgerundet.
Auch wenn Arbeitgeber von diesem Abfindungsangebot selten Gebrauch machen, scheinen die Intentionen klar: es könnten Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung bestehen, welche durch Zahlung einer Abfindung ausgebügelt werden sollen. So könnte es beispielsweise eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb geben oder die Sozialauswahl könnte angreifbar sein. Arbeitgeber ersparen sich aber eine gerichtliche Prüfung der Kündigung, indem sie eine Abfindung zahlen. Diese Vorgehensweise hat aber nicht zwangsweise nur Nachteile für Arbeitnehmer. So kann ein möglicherweise langwieriger Rechtsstreit, dessen Ausgang zu diesem Zeitpunkt offen ist, vermieden werden.
Unter Bestimmten Voraussetzungen kann eine konkrete Abfindung auch vor dem Arbeitsgericht ausgehandelt werden – hierauf besteht aber wiederum kein Anspruch. Grundsätzlich ist eine Kündigungsschutzklage auf die gerichtliche Feststellung gerichtet, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Hat die Klage also Erfolg, besteht das Arbeitsverhältnis weiter – von der Abfindung ist zunächst also keine Rede. Oftmals ist es aber ausreichend, dass die Klage gute Erfolgsaussichten hat. Arbeitgeber sind dann häufig dazu bereit, mehr oder minder freiwillig eine Abfindung zu zahlen, um die finanziellen Risiken abzustecken. Insbesondere bei langen Verfahren trägt der Arbeitgeber das Risiko, dem obsiegenden Arbeitnehmer den Lohn für die gesamte Prozesszeit nachzahlen zu müssen.
Abfindungsanspruch nach erfolgreichem Auflösungsantrag
Daneben ist es theoretisch auch möglich, dass der Arbeitgeber gemäß §§ 9, 10 des Kündigungsschutzgesetzes zur Zahlung einer Abfindung verurteilt wird.
Dies ist dann der Fall, wenn
- nach Ansicht des Gerichts die Kündigung unwirksam war,
- wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist und
- der Arbeitnehmer einen entsprechenden Auflösungsantrag gestellt hat.
Der Arbeitgeber kann auch einen solchen Auflösungsantrag stellen. Das Gericht spricht dem Arbeitnehmer in einem solchen Fall ebenfalls eine Abfindung zu, wenn die weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten ist. In der Praxis machen Arbeitnehmer und Arbeitgeber von dieser Möglichkeit jedoch sehr selten Gebrauch.
Arbeitnehmer sollten bei einer Vereinbarung von einer Abfindungszahlung stets den eigenen Anspruch auf Arbeitslosengeld im Blick haben. So ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn man zuvor eine sogenannte Entlassungsentschädigung (z.B. eine Abfindung) erhalten und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfristen (z.B. durch einen Aufhebungsvertrag) beendet wurde. Dies hat zur Folge, dass das Arbeitslosengeld erst ab dem Zeitpunkt ausgezahlt wird, zu welchem das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der Kündigungsfristen hätte beendet werden können oder der Arbeitslose ohne Kündigung 60% seiner Abfindung verdient hätte. In dieser „Ruhensphase“ ist man nicht durch die Arbeitsagentur krankenversichert und auch weitere Sozialversicherungensbeiträge werden nicht gezahlt.
Weiter kann einem das Arbeitslosengeld auch bis zur zwölf Wochen gesperrt werden, wenn man seine Arbeitslosigkeit in Sinne des Gesetzes selbst herbeigeführt hat. Dies wäre etwa durch Zustimmung einer Abfindung im Rahmen eines Aufhebungsvertrages der Fall. Diese Kürzungen kann man allerdings durch geschickte Formulierungen und Vorgehensweisen vermeiden.